Farb­psy­cho­lo­gie und Farbmarketing. Kolumne in luxlumina Schweitzer Architektur & Lichtdesign Magazin Nr. 16 2016.
Von Axel Buether

Durch Licht und Farbe zum Kauf inspirieren

Wo Überangebote an Produkten und Dienstleistungen den Markt bestimmen,
richten Menschen ihr Kaufverhalten verstärkt nach emotionalen Einflussgrößen wie Lust, Neugier, Status oder Attraktivität.
Hierdurch werden Farbe und Licht zum entscheidenden Marketingfaktor.

Farb­mar­ke­ting

Die visu­el­len Medien bil­den den Stoff unse­rer Wahr­neh­mungs– und Vor­stel­lungs­bil­der. Sie steu­ern ca. 60% unse­rer Gehirn­ak­ti­vi­tä­ten, was uns nur sel­ten bewusst wird, da wir unsere gesamte Welt über Licht und Far­ben wahr­neh­men, in denen wir Men­schen, Dinge und Räume erken­nen. Licht und Farbe schaf­fen Atmo­sphä­ren, die uns in Kauf­stim­mung ver­set­zen. Pro­fes­sio­nell ein­ge­setzt kön­nen Farbe und Licht Nach­frage gene­rie­ren, da sie beim Kun­den Lei­den­schaft und Begeh­ren erzeu­gen und zugleich ver­nunft­ge­lei­tete Ent­schei­dungs­pro­zesse unter­drü­cken. Far­ben machen Lust und Freude, die wir unwill­kür­lich auf Inhalte und Pro­dukte über­tra­gen. Doch Vor­sicht! Falsch ein­ge­setzt, kön­nen Licht und Farbe auch das Gegen­teil bewirken.

Mar­ke­ting­po­ten­ziale Farbe und Licht:

  1. Mar­ken und Mar­ken­bot­schaf­ten visua­li­sie­ren und zum Kun­den transportieren
  2. Auf­merk­sam­keit erzeu­gen und Ver­hal­ten steuern
  3. Inter­esse wecken, Denk­pro­zesse anre­gen und Hand­lungs­kon­se­quen­zen bewirken
  4. Posi­tive Emo­tio­nen und nach­hal­tige Gefühls­bin­dun­gen erzeugen
  5. Ord­nung, Ori­en­tie­rung und Sicher­heit herstellen
  6. Appe­tit anre­gen und Genuss vermitteln
  7. Lust anre­gen und Attrak­ti­vi­tät vermitteln

Die Macht der Farben

Unser Gedächt­nis legt fest, was uns eine Farbe bedeu­tet und wie Far­ben auf unsere Gedan­ken und Gefühle wir­ken. Far­ben bestim­men das Erleb­nis von Selbst und Umwelt. Sie beein­flus­sen unser Ver­hal­ten und steu­ern unsere Hand­lun­gen, obwohl wir die Ursa­che für diese „Macht der Far­ben“ nur sel­ten erken­nen. Wir kön­nen sie spü­ren, wenn wir „unap­pe­tit­li­che Far­ben“ essen, „häss­li­che Far­ben“ am Kör­per tra­gen oder in „geschmack­lo­sen Far­ben“ leben sol­len. Jeder Mensch bil­det im Ver­lauf sei­nes Lebens eigene Farb­prä­fe­ren­zen aus. Wir bil­den ein sub­jek­ti­ves Reper­toire an Lieb­lings­far­ben, durch die wir unse­rer Umwelt etwas mit­tei­len, mit denen wir uns iden­ti­fi­zie­ren, durch die wir uns abgren­zen kön­nen. Wir set­zen diese Far­ben gezielt ein, um Wir­kun­gen auf das Erle­ben und Ver­hal­ten ande­rer Men­schen zu erzie­len. Dazu nut­zen wir nicht eine ein­zige Lieb­lings­farbe, son­dern eine Palette bewähr­ter Far­ben, mit denen wir die gewünschte Wir­kung am bes­ten erzie­len kön­nen. Far­ben wie­derum wer­den erst durch Licht her­vor­ge­bracht und in ihren Wir­kungs­di­men­sio­nen bestimmt. Die Wir­kun­gen von Far­ben ent­fal­ten sich mit ihrer Hel­lig­keit und dem Kon­trast zum Umfeld. Dazu müs­sen viele andere Ein­fluss­fak­to­ren wie Bunt­ton, Sät­ti­gung, Glanz­grad oder Bril­lanz bedacht wer­den, auf die hier nicht näher ein­ge­gan­gen wer­den soll. Für die psy­cho­lo­gi­schen Wir­kun­gen von Far­ben gilt, dass bunte und unbunte Far­ben gleich­wer­tig sind. Beim Farb­mar­ke­ting steht die Pla­nung der Wir­kun­gen im Vor­der­grund. Da sich Far­ben gegen­sei­tig beein­flus­sen und zudem mit der Qua­li­tät des Lich­tes inter­agie­ren, kön­nen dar­aus keine direk­ten Kon­se­quen­zen für den Gestal­tungs­pro­zess abge­lei­tet wer­den. Die Erar­bei­tung von Farb– und Licht­kon­zep­ten ist eine kom­plexe Auf­gabe, die ein hohes Maß an Pro­fes­sio­na­li­tät erfor­dert, dass nur durch fach­li­che Bil­dung und Pra­xis­er­fah­rung zu errei­chen ist.

Stu­die zur Wir­kung der Farbe Weiß auf das Erle­ben und Ver­hal­ten (Auto­ren– und Bild­rechte Axel Buether)
Stu­die zur Wir­kung der Farbe Weiß auf das Erle­ben und Ver­hal­ten (Auto­ren– und Bild­rechte Axel Buether)

Farb­psy­cho­lo­gie

In den letz­ten Jah­ren haben wir an mei­nem Lehr­stuhl für „Visu­elle Kom­mu­ni­ka­tion“ an der Ber­gi­schen Uni­ver­si­tät Wup­per­tal die welt­weit größte Unter­su­chung zu den Wir­kun­gen von Far­ben durch­ge­führt. Im ers­ten Schritt unse­res farb­psy­cho­lo­gi­schen Expe­ri­ments haben alle Teil­neh­mer Vor­kom­men, Gebrauch und Bedeu­tung der 13 psy­cho­lo­gi­schen Grund­far­ben im Natur– und Kul­tur­raum unter­sucht. Anschlie­ßend wur­den die Wir­kun­gen der Far­ben auf unser Erle­ben und Ver­hal­ten im Selbst­ver­such aus­pro­biert und doku­men­tiert. Die reprä­sen­ta­ti­ven Ergeb­nisse wur­den in mehr als 1 Mil­lion Bil­dern doku­men­tiert und sys­te­ma­tisch geord­net. Ein wich­ti­ges Ziel der Unter­su­chung war die Bestands­auf­nahme unse­res All­tags­wis­sens über Far­ben. Zur Ver­mei­dung der Beein­flus­sung wur­den Recher­chen über die Wir­kun­gen und Bedeu­tun­gen von Far­ben unter­bun­den. Es war die Frage, wel­che der unzäh­li­gen kul­tur­ge­schicht­lich über­lie­fer­ten Bedeu­tun­gen der Farbe sich im kol­lek­ti­ven Bewusst­sein moder­ner Gesell­schaf­ten erhal­ten haben und wel­che bis heute noch hin­zu­ge­kom­men sind. Im zwei­ten Schritt wur­den von einem Exper­ten­team nach bio­lo­gisch und kul­tu­rell deter­mi­nier­ten Mus­tern gesucht und eine asso­zia­tive Ord­nung der ein­zel­nen Far­ben rekon­stru­iert. Das Haupt­in­ter­esse galt den spon­ta­nen Ver­hal­tens­re­ak­tio­nen der Pro­ban­den, ihren Ges­ten, Hand­lun­gen wie den Orten, die sie und wir mit dem Erleb­nis einer Farbe ver­bin­den. Dabei wurde der Stand der Farb­for­schung in Wahr­neh­mungs­psy­cho­lo­gie und Neu­ro­wis­sen­schaf­ten berück­sich­tigt. Die gefun­de­nen Bedeu­tun­gen und Sinn­be­zie­hun­gen wur­den am Ende von einem Com­pu­ter­pro­gramm in Form von Gedächt­nis­land­kar­ten („Colour-Mind-Map“) der 13 unter­such­ten Far­ben zusam­men­ge­führt, was für diese Kolumne exem­pla­risch am Weiß auf­ge­zeigt wird. Die Colour-Mind-Map bie­tet wich­tige Anhalts­punkte für das Farb­mar­ke­ting. Es wird deut­lich, dass jede Farbe eine Viel­zahl von Wir­kun­gen ver­mit­teln kann, die erst durch die Art ihrer Ver­wen­dung und den Kon­text der Wahr­neh­mungs­si­tua­tion defi­niert wer­den. Tra­di­tio­nelle Farbsym­bo­li­ken sind eben­falls gut in der Gra­fik ables­bar, da ihre Wir­kun­gen zum gro­ßen Teil auf die zen­tral ange­ord­ne­ten Natur­phä­no­mene zurück­führ­bar sind. Bei der Anwen­dung der „Colour-Mind-Map“ müs­sen zudem kul­tu­relle Unter­schiede beach­tet wer­den, da Farb­wir­kun­gen wie Farb­prä­fe­ren­zen von sozio­kul­tu­rel­len, kli­ma­ti­schen wie regio­na­len Fak­to­ren geprägt werden.

Fazit:

Farb– und Licht­kon­zepte sind erfolg­reich, wenn alle Ein­fluss­fak­to­ren beach­tet wer­den und die rich­tige Stra­te­gie für den Ein­satz­ort gewählt wird. Dafür bie­ten sich par­ti­zi­pa­tive Pro­jekt­ent­wick­lungs­me­tho­den wie das Design-Thinking an, wenn die Refle­xi­ons­ebene aus­rei­chend Beach­tung findet.

Design Thin­king Atmo­s­phe­res (Auto­ren– und Bild­rechte Axel Buether)
Design Thin­king Atmo­s­phe­res (Auto­ren– und Bild­rechte Axel Buether)

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